Zwickmühle zwischen sicherem Verlust und riskanteren Anlagen
Zurück zur ÜbersichtLiquidität wird negativ verzinst und Obligationen bringen auch kaum Zinseinnahmen. Daher sind Pensionskassen gezwungen, vermehrt in andere, risikoreichere Anlagen zu investieren. Allerdings setzen hier die Risikofähigkeit und -bereitschaft Grenzen.
Seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses zum Schweizer Franken verzinsen Finanzinstitute grössere Geldbeträge institutioneller Investoren mit Negativzinsen. Um die offerierten Freigrenzen auszuschöpfen, haben viele institutionelle Anleger ihre Liquiditätshaltung reduziert und die Barmittel auf mehrere Finanzinstitute verteilt. Allerdings taugt diese Strategie nur bedingt, da Freigrenzen kontinuierlich nach unten angepasst werden und sie für grössere Anleger mitunter kaum effizient umsetzbar ist.
Rendite wird zur «Guthabengebühr»
Auch Geldmarktfonds oder die Bargeldhaltung sind keine wirkliche Alternativen zur Liquiditätshaltung. Erstere sind zwar breit diversifiziert, ihre implizite Rendite ist aber ebenfalls negativ. Ausserdem geht die Bargeldhaltung mit einem deutlichen Mehraufwand einher. Transport, Versicherung und Aufbewahrung sind risikobehaftet und nicht gratis. Auch stellt sich die Frage, ob gehortetes Bargeld in Zukunft wieder kostenlos in den elektronischen Kreislauf zurückgeführt werden kann. Vielmehr ist zu erwarten, dass die Schweizerische Nationalbank einschreiten wird, falls Pensionskassen die Geldpolitik mit Bargeldhaltung in grossem Stil zu umgehen versuchen.
Liquiditätsanlagen in Fremdwährungen sind auch nur beschränkt attraktiv, da das zusätzliche Währungsrisiko aus Anlegersicht unerwünscht ist. Eine Absicherung reduziert die Erträge wieder auf die Rendite, welche mit Liquidität in Schweizer Franken erzielt werden könnte − ein Nullsummenspiel.
Für eine Pensionskasse relativiert sich die Problematik der Liquiditätshaltung, weil in der Regel nur ein geringer Teil des Anlagevermögens als Liquidität gehalten wird. Viel weitreichender ist jedoch der Umstand, dass die negativen Zinsen praktisch über die ganze Zinskurve bestehen und in Wechselwirkung mit historisch tiefen Credit Spreads zu einem Anlagenotstand im gesamten festverzinslichen Bereich führen. Selbst Unternehmensanleihen weisen zum Teil negative Renditen auf.
Rückblickend hat diese Entwicklung in den letzten Jahren auch ausserhalb der Anleihenmärkte zu einer massiven Asset Inflation geführt. Vereinfacht gesagt, beeinflusst die risikolose Rendite aufgrund des Discounted-Cashflow-Modells alle Anlageklassen, die einen Ertrag erwirtschaften. So sind heute die Risikoprämien auf Aktien oder Immobilien im historischen Vergleich ebenfalls sehr tief.
Pensionskassen unter Druck
Da sich die Sollrenditen der Pensionskassen nicht im gleichen Mass reduziert haben, wie die erwartete Rendite auf den Anlagen gesunken ist, besteht heute bei vielen Pensionskassen ein erhebliches Renditedefizit.
Vorsorgeeinrichtungen haben den gesetzlichen Auftrag, ihr Vermögen so anzulegen, dass ein genügender Ertrag gewährleistet ist, um die Vorsorgekapitalien zu verzinsen und die Kosten zu decken. Um dieser Verpflichtung im aktuellen Marktumfeld nachzukommen, werden Pensionskassen quasi gezwungen, bei ihren Vermögenswerten höhere Risiken einzugehen. Da risikolose Anlagen − beispielsweise Bundesobligationen − keine respektive negative nominale Renditen erzielen, wird es für Vorsorgeeinrichtungen immer schwieriger, ihre Verpflichtungen zu finanzieren.1
In Reaktion auf die tiefen Zinsen hat eine Vielzahl von Vorsorgeeinrichtungen in den letzten Jahren ihre Anlagestrategien angepasst. Vor allem der Anteil an inländischen Obligationen wurde zugunsten von Aktien, Immobilien und alternativen Anlagen reduziert. Innerhalb der alternativen Anlagen wurden die Subkategorien Infrastruktur, Insurance Linked Securities, Private Equity und Senior Loans von vielen Kassen neu eingeführt oder ihr Anteil ausgebaut. Zwar sind Obligationen nach wie vor die wichtigste Anlageklasse für Schweizer Pensionskassen, ihr Anteil an der Gesamtallokation hat über die letzten Jahre jedoch deutlich abgenommen. Dagegen erreichten die Anteile an Immobilien und alternativen Anlagen Rekordwerte – vor allem illiquide Anlagekategorien erleben momentan ein Revival. Im internationalen Vergleich weisen Schweizer Pensionskassen beispielsweise die höchste Immobilienquote in den Portfolios aus.
Der Renditedruck birgt häufig die Gefahr, dass Risiken unterschätzt werden.
Jede gelungene Optimierung der Anlagetätigkeit bringt für Pensionskassen einen mehr als nur willkommenen Beitrag zur Problementschärfung. Allerdings sollte immer auch kritisch hinterfragt werden, ob die erforderliche Risikofähigkeit und Risikobereitschaft für das Eingehen der zusätzlichen Risiken tatsächlich vorhanden sind.
Darüber hinaus sollte sichergestellt sein, dass die Mechanismen dieser Anlagekategorien verstanden werden und sie sich effizient umsetzen lassen. Der Renditedruck birgt häufig die Gefahr, dass Risiken unterschätzt werden. So sind momentan viele Anleger bereit, für höhere erwartete Renditen bei Obligationen eine tiefere Kreditqualität und Illiquidität in Kauf zu nehmen – beispielsweise bei Hochzins- oder Schwellenländeranleihen. Neben den generell höheren Risiken sollte bei diesen Investitionen beachtet werden, dass sich dadurch eine Risikoüberschneidung mit den Aktien ergibt.
Kostenfaktor entscheidet
Als Nebeneffekt dieser Suche nach zusätzlicher Rendite sei an dieser Stelle erwähnt, dass mit dem Tiefzinsumfeld Kostenaspekte in der Vermögensverwaltung eine noch zentralere Rolle spielen. In einem Marktumfeld, in dem jeder Basispunkt zählt, legen Vorsorgeeinrichtungen ein besonderes Augenmerk auf die Vermögensverwaltungskosten und die ausgewiesenen TER-Kosten.
Massnahmen auf der Passivseite
Leider werden für die meisten Vorsorgeeinrichtungen die Massnahmen auf der Anlageseite nicht ausreichen, um das Gleichgewicht zwischen Ertrag und Verpflichtungen wiederherzustellen. In der Vergangenheit gewährte Leistungen (Rentenversprechen) können kaum verändert werden. Die Differenz zwischen diesen versprochenen impliziten Renditen und den zu erwirtschaftenden Renditen muss in irgendeiner Form von den Risikoträgern der Vorsorgeeinrichtungen − den aktiven Versicherten und den Arbeitgebern − getragen werden. Zukünftige Leistungen können demgegenüber verändert werden. Die Stiftungsräte sind gefordert, sich über das Leistungsziel und dessen Finanzierung Gedanken zu machen.
1) Obligationenanlagen werden allgemein als risikoarm angesehen. Aufgrund der Verlängerung der Duration in den gängigen Obligationenindizes ist das Zinsänderungsrisiko in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Zum einen führen tiefere Zinsen automatisch zu längerer Duration, zum anderen haben viele Emittenten die Gelegenheit genutzt, bei historisch tiefen Zinsen Kapital auf sehr lange Frist aufzunehmen. In marktgewichteten Indizes nimmt die Gewichtung von hoch verschuldeten Ländern wie den USA oder Japan laufend zu, was zu Klumpenrisiken führt. Zudem ist bei Indizes nicht sofort erkennbar, wie sich die Gewichtungen der einzelnen Bonitätskategorien über die Zeit verschieben. Somit kann es sein, dass sich auch bei einer unveränderten Obligationenquote das Risiko erhöht hat.